Bewegung, Konzentration, Rhythmik, Entspannung und Wahrnehmung für die ganzheitliche kindliche Entwicklung

Die aktuellen Forschungsergebnisse machen Mut, neue Wege des Lernens als einen ganzheitlichen Reifungsprozess von Geist, Körper und Psyche zu verstehen, als ein sich ständig entwickelndes Zusammenspiel von Sinneswahrnehmungen, Denkleistungen, Bewegungsabläufen und Gefühlen. Aus diesem Grund haben die nun folgenden Bereiche einen hohen Stellenwert:

 7.1  Die Bedeutung von Bewegung für das Kind

Bewegung ist die Grundlage für eine gesunde Entwicklung. Sie ist der Motor für die geistige Entwicklung von Kindern. Sie fördert die Entwicklung des kindlichen Gehirns. Durch Bewegung erfahren die Kinder die Schwerkraft, lernen sich im Raum zu orientieren und lernen ihren eigenen Körper kennen. Außerdem fördert Bewegung die Konzentrationsfähigkeit. Der kindliche Bewegungstrieb ist natürlich vorhanden. Wenn wir diesen Bewegungsdrang der Kinder fördern, schaffen wir die Vorrausetzung dafür, dass es seine genetischen Anlagen voll ausprägen kann.

Die Kinder brauchen eine bewegte Kindheit. Sie brauchen ausreichend Freiraum, um vielfältige  primäre Erfahrungen  zu sammeln. Ihre gesundheitliche und ganzheitliche Entwicklung hängt davon ab wie viel  Körpererfahrung die Kinder machen. Denn schließlich trainiert die Bewegung nicht nur unsere Muskulatur sondern auch Geist und Psyche.

 Bewegung bringt:
  • Stärkeren Knochenbau

Kinder haben bei der Geburt noch kein Skelett, das aus echter Knochensubstanz besteht, sondern  es setzt sich aus einem Ersatzgewebe aus Knorpel zusammen. Die feste Knochensubstanz lagert sich erst im Kinder – und Jugendalter an. Dieser Prozess ist zwar genetisch gesteuert, wird aber durch Bewegung stimuliert. Das Hüpfen, springen, Klettern und Laufen in den ersten Jahren ist dabei von entscheidender  Bedeutung. Je mehr Bewegung umso dichter und stabiler entwickelt sich die Knochensubstanz.

  •  Bessere Haltung

Die doppelte S-Form der Wirbelsäule bildet sich erst in den ersten sechs Lebensjahren heraus. Viel Bewegung sorgt dafür, dass das Muskel-Skelett-System ausreichend beansprucht wird. Nur so kann sich die Wirbelsäule aufrichten.  Fehlstellungen der Wirbelsäule sind im Erwachsenenalter schwer zu korrigieren.

  •  Kräftige Muskeln

Alle Muskeln sind beim Baby bereits komplett vorhanden, aber nicht voll funktionsfähig. Zu viel sitzen und wenig Bewegung verhindern, dass sich diese Muskulatur richtig ausprägt. Rückenschmerzen und andere Schäden werden so bereits im Kindesalter programmiert.

  •  Bessere Koordination und motorische Geschicklichkeit

Um Körpergefühl zu entwickeln muss sich der ganze Körper bewegen. Nur Schaukeln, drehen, Klettern, Hüpfen usw. gibt dem Kind eine Vorstellung vom eigenen Körper und ein Gefühl von Lage seiner Arme und Beine im Raum. Dabei wird gleichzeitig der Gleichgewichtssinn entwickelt. Kinder, die ihren Körper nicht gut koordinieren können fallen nicht nur schneller, sondern verletzten sich dabei auch schwerer.

  • Selbstbewusstsein und mehr Selbständigkeit

Über die Erfahrung, die das Kind durch die Bewegung sammelt, bekommt es ein Gefühl  für seine eigenen Fähigkeiten. Die Erfahrung von Können und Nichtkönnen, von Erfolg und Misserfolg, von der Selbständigkeit. Diese Sicherheit schafft auch die nötige Grundlage für Kontaktfreudigkeit und sozialer Kompetenz.

  •  Bessere Gesundheit

Bewegungsmangel und schlechte Ernährung führen zu Übergewicht. Übergewichtige Kinder können bereits währen der Kindheit an Diabetes, Bluthochdruck und anderen Herz- Kreislauferkrankungen erkranken. 

  • Natürliche Bewegungsenergie wird ausgelebt

Bewegungsmangel schürt auch Aggressionen. Die Gewalttätigkeiten nehmen unter Kindern ständig zu. Kein Wunder, in engen Kinderzimmern und Gruppenräumen staut sich die natürliche Bewegungsenergie. Geballt und unkontrolliert bricht sie dann aus. Die Kinder möchten dann um jeden Preis ihre angestauten Kräfte messen.

Bewegung bedeutet:
überschüssige Energie abbauen
Sauerstoff tanken
mit sich und mit anderen ins Gleichgewicht kommen
Raum und Lage erfahren
Aggressionen abbauen
7.2. Die Bedeutung der Entspannung für das Kind

Der rastlose Zeitgeist geht an uns Erwachsenen und natürlich auch nicht an unseren Kindern spurlos vorbei. Viele Kinder sind schon dem wachsenden Erfolgsdruck hilflos ausgesetzt und leiden unter verbissenem  Ehrgeiz. Sie geraten aus dem inneren Gleichgewicht und verhalten sich auffällig. Diese äußert sich in motorischer und verbaler Unruhe, Unausgeglichenheit, Konzentrationsstörungen und Aggressivität. Nur selten erleben die Kinder entspannte Momente, obwohl sie entscheidend für ihre körperliche und geistige Gesundheit wäre, denn Entspannung fördert:

  •  Die Persönlichkeitsentwicklung

Körper, Geist und Seele kommen ins Gleichgewicht, die Wahrnehmung für die eigene Person wird wieder sensibilisiert. Kinder sollten sooft wie möglich erfahren, dass sie mit gezielten Übungen etwas für ihr eigenes Wohlbefinden tun und ein Gleichgewicht zwischen An- und Entspannung selbst herstellen können. 

  • Das positive Miteinander

Unruhige und aggressive Kinder erfahren durch Entspannungsübungen, dass sie ihre Anspannung positiv abbauen können und nicht auf Gewalt angewiesen sind. Gemeinsam erlebte Entspannung wirkt harmonisierend auf eine Gruppe.

  • Das effektive Lernen

Entspannte Menschen können sich besser konzentrieren. In Entspannungsübungen lernen die Kinder  äußere  Reize zeitweise bewusst auszuschalten, ihre Energiereserven gezielt aufzubauen  und Stress abzubauen. Dadurch werden sie Aufnahme-  und leistungsfähiger.

Kinder brauchen  von ihren Eltern, Erziehern und Lehrern gezielte Hilfe, um ihre körperliche und seelische Anspannung zu lösen und optimale Entspannung zu erfahren. Dazu zählt: 

  • die richtige Atemtechnik

Sie  führt die Kinder behutsam aus ihrer angespannten Stimmungslage heraus und bringt Körper und Geist in Einklang.

  • der richtige Zeitpunkt

Entspannungsübungen sind umso effektiver je öfter sie eingesetzt werden. Sie sollten einen festen zeitlichen und methodischen Platz im Alltag der Kinder haben. 

  • die geschlossenen Augen

Entspannung muss methodisch behutsam eingeleitet werden. Wichtige Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft der Kinder die Augen zu schließen. 

  • viel Geduld

Jedes Kind muss zunächst erst das Vertrauen entwickeln, dass es nichts verpasst, wenn es die Augen schließt. Es muss  lernen, dass  sein Innenleben interessanter sein kann, als die reizüberflutete Außenwelt. Entspannung gelingt nicht sofort sondern Schritt für Schritt.

  • Zärtlichkeit ist der beste Begleiter

Eine Umarmung gibt den Kindern die Zuversicht, geliebt zu werden, aufgehoben zu sein und Spannungen zu lösen.

Es gibt kein sicheres Entspannungsrezept, keine Methode, die alle Kinder gleichermaßen und zur gleichen Zeit entspannt. Es bedarf vieler einfühlsamer Schritte und vor allen Dingen des positiven Vorbilds des Erwachsenen.

 Entspannung bedeutet:
äußere Reize ausschalten
Stille genießen und Energiereserven auftanken, Spannung und Stress abbauen
das innere Gleichgewicht finden
Selbstvertrauen und Kreativität entwickeln
das Gruppenklima harmonisieren
7.3  Die Bedeutung der Konzentration für das Kind

 Das hektische Leben fordert seinen Preis: Motorische und geistige Unruhe!

In den pädagogischen Beratungsstellen gehören motorische Unruhe und Konzentrations-schwäche zu den am häufigsten genannten Erziehungs- und Schulproblemen.

Konzentration stellt sich nicht per Knopfdruck ein! Wenn der Kopf mit Sinnesreizen und Informationen  überfrachtet ist, dann kann kein klarer Gedanke aufkommen. Und im stetig anwachsendem Leistungsdruck und Stresspegel fehlt die Muße, sich in eine Sache oder einen Gedanken zu vertiefen. Kinder sind der Reiz- und Informationsflut hilflos ausgesetzt.

Die Bildermacht der Medien ist allgegenwärtig und ihr Preis ist hoch: Nervosität und Überreiztheit, psychische Überforderung und Unausgeglichenheit. Vor allem aggressive Kinder leiden unter ständiger physischer und psychischer Anspannung, die motorische Unruhe und Konzentrationsprobleme auslöst. Andere Kinder wiederum ziehen sich in eine Welt der inneren Bilder und Gedanken zurück, träumen still vor sich hin in den Tag hinein.

Konzentration hat nur dann eine Chance, wenn wir einen Wahrnehmungsfilter entwickelt haben, der uns hilft, das Wichtige vom Unwichtigen, das Sinnvolle vom Nutzlosen, das Informative vom Ablenkenden zu trennen. Aber hierfür brauchen Kinder die Hilfe erfahrener  Erwachsener, die folgende Tipps beherzigen:

  •  Umgebung vorbereiten

In vielen Kinderzimmern und Gruppenräumen  hängen die Wände voller Zeich-nungen, stehen vollgestopfte Regale, baumeln überall bunte Mobiles usw. Wo sollen Auge und Kopf die nötige Ruhe zur Konzentration finden? Erst klare Flächen und Farben sorgen für das nötige räumliche und innere Gleichgewicht. Denn schließlich sind die Kleinen  noch keine großen Genies, die auch im Chaos strukturiert denken können.

  • Interesse fördern

Mit der Ermahnung „Jetzt konzentriert euch mal!“ ist es nicht getan. Viel mehr helfen mentale Bilder oder kleine Rituale, die kindliche Faszination zu wecken.

  • Verhalten beobachten

Konzentrationsschwächen resultieren entweder aus dem Energiebereich           (Müdigkeit, Nervosität, Bewegungs- und Sauerstoffmangel), dem Lernbereich (wenig Motivation oder Vorkenntnisse), dem Gefühlsbereich (emotionale Sorgen oder Ängste) oder aus dem Sozialbereich (Konflikte in der Gruppe). Erst wenn diese Blockaden ermittelt und beseitigt sind, kann sich das Kind optimal konzentrieren.

  • Energiereserven berücksichtigen

Hohe Konzentrationsleistung braucht viel Energie. Hierin unterscheidet sich das Gehirn nicht von einer Batterie oder einem Akku: Sind die Reserven verbraucht, geht nichts mehr! Das Hirn macht zwar nur 2% unserer Körpermasse aus, aber es benötigt 25% unseres gesamten Sauerstoffhaushalts. In vielen Gruppenräumen lässt sich die Luft mühelos durchschneiden. Aber volle Wachheit herrscht in Kinderköpfen nur, wenn sie durch Bewegung im Freien oder durch regelmäßiges Lüften der Räume genügend Sauerstoff erhalten.

  • Lob aussprechen

Das Gehirn verfügt über ein „Belohnungszentrum“. Es schüttet nach der Anerkennung einer gelungenen Aufgabe Dopamin aus. Dieses ruft Glücksempfindungen hervor. Das positive Konzentrationserlebnis wird gespeichert und verlangt nach mehr.

  • Ruhe gewähren

Hat das Kind die Gelegenheit gehabt, eine Sache in Ruhe zu Ende zu führen oder wurde es ständig von anderen gestört? Kinder brauchen Raum und Zeit, um ihre Interessen herauszufinden und auszuprägen, um sich ungestört auf eine Sache oder einen Menschen einzulassen.

  • Spiele und Projekte einsetzen

Jedem Kind macht es Spaß, sich spielerisch zu konzentrieren oder mit den Erwachsenen ein Vorhaben zu planen und anzugehen, das lange dauert, das seine volle Aufmerksamkeit fordert und in vielen Teilschritten zum Erfolg führt. Dann baut das Kind freudig und konzentriert zum Beispiel an einer Ritterburg aus Karton, an einer Seilbahn durchs Kinderzimmer oder an einer Hütte im Wald. Wichtig ist, dass wir sein Vorhaben interessiert begleiten. Dann wird es später unsere Ratschläge gerne allein und langfristig umsetzen.

Konzentration bedeutet:
Aufnahmebereitschaft auslösen
Aufmerksamkeit steigern
Sinne schärfen
Gedanken und Gefühle ordnen
Mehrkanalig lernen
Kreativität und vernetztes Denken fördern
Informationen nachhaltig speichern
7.4  Die Bedeutung von Rhythmus für das Kind

Rhythmus wird meistens gleichgestellt mit Musikalität, doch Rhythmus bedeutet mehr:
Rhythmus ist Bewegung, Energie, Genuss, Konzentration. Rhythmus ist ein großer Gruppenspaß und gleichzeitig intensive Selbstwahrnehmung.
Nicht so sehr mit dem Kopf, sondern viel eher mit dem Körper spüren und begreifen wir Rhythmus. Mit Klatschen, Stampfen, Schnipsen, Patschen, Reiben und Sprechen von Rhythmus erlernen wir rhythmisch-musikalische Gestaltungsprinzipien und verinnerlichen ihre Strukturen.
Jeder von uns folgt seinem individuellen Rhythmus, so gibt es beispielsweise typische Morgenmuffel, Nachteulen oder begeisterte Frühaufsteher. Doch im High-Tech-Zeitalter, in dem die Atomuhr unser rasantes Lebenstempo bestimmt, ist uns der natürliche Rhythmus abhanden gekommen: Die Zeit bestimmt mehr und mehr unser Privatleben. Eine Verabredung ohne Blick in den Terminkalender ist selten geworden.
Kinder reagieren auf den zunehmenden Zeitdruck wie kleine Zeitbomben:
Stehen sie unter Stress und haben dazu noch wenig Bewegung, dann reicht ein kleiner Anlass, um sie in aggressive, nervöse, zappelige und letztlich hilflose Wesen zu verwandeln.
Sie können ihre angestaute Dynamik und Energie nicht bändigen, sie sind überfordert. Zappelphilippe brauchen also weniger Ermahnung als viel mehr Zeit und Bewegungs-spielraum. Aber viele haben einen Terminkalender, der die Kinder unter seelischen und körperlichen Druck setzt. Beispielsweise fällt es ihnen immer schwerer, längere Zeittakte in Gehbewegung auszuhalten. Sie rennen sofort los, als hätten sie keine Zeit und innere Ruhe mehr, um nur zu gehen.
Ein strukturierter Alltag mit geregelten Zeiten, wann sie z.B. schlafen gehen, Hausaufgaben machen oder Freizeit haben, gibt ihnen Sicherheit. Kinder müssen lernen, einen Nachmittag oder Sonntag nach ihren Interessen zu gestalten. Bei dem Satz „ Ich langweile mich“ sollte man nicht in Panik geraten und nicht krampfhaft nach Beschäftigungsvorschlägen ringen.
Man muss ihnen nur genügend Zeit geben.
Jeder Mensch braucht seine individuelle Zeitration. Manch ein Kind trödelt des Morgens, es braucht viel Zeit, um in den Tag zu starten. Andere Kinder stehen gerne früh auf und können  es kaum abwarten den Tag zu beginnen. Bei beiden bestimmt nicht die Uhr das Zeitgefühl. Sie handeln vielmehr nach dem „Lust-und-Laune-Prinzip“, sie folgen ihrem natürlichen Rhythmus. Erst mit wachsender Entwicklung können sie ihren natürlichen Rhythmus den äußeren Bedingungen angleichen. Sie brauchen das Verständnis der Erwachsenen, um ein eigenes Zeitgefühl zu entwickeln. Und der Schlüssel zum eigenen Zeitgefühl ist nicht das Zählen oder die Uhr, sondern die Bewegung.
Zeit ist Bewegung im Raum, die durch rhythmische Erfahrungen der Muskulatur nachempfunden wird. Die Musik ist ein ideales Medium, um das Zeitgefühl zu entwickeln. Sie ruft bei Kindern viele Bewegungsreaktionen hervor. Daher ist es ratsam, Bewegungsübungen mit Klängen zu verbinden. Akustische und körperliche Reaktionen werden so miteinander verknüpft. In Singspielen lernt das Kind, seine Bewegungen dem Rhythmus der Musik und dem der Mitspieler anzupassen. Im freien Tanz lernt es, sich spontan  zu bewegen, Ängste abzubauen und Fantasie zu entwickeln.
Im Kindergartenalter zeigt das Kind großes Interesse an Reimen, Zungenbrechern und anderen Wortspielereien. Es sind Sprechrhythmen, die im Gedächtnis nachhaltig speichert werden, so wie auch die Schrittfolge oder den Tonfall eines Freundes anhand rhythmischer Kriterien einen Wiedererkennungswert haben.

Als die Wissenschaftler untersuchten, wie Kinder ihre Muttersprache erlernen, fanden sie heraus, dass es über den Sprachrhythmus geschieht. Schon sechs Monate alte Babys lallten den Rhythmus ihrer Muttersprache.
Das Sprachförderprogramm „Kon Lab“ vermittelt über Spiele sprachrhythmische Regeln wie sie nötig sind, um beispielsweise Artikel richtig zu verwenden oder den Plural zu bilden. Auch die Rechtschreibung baut auf dem Sprachrhythmus auf.

Beim Einsatz von rhythmischen Spielen sollte folgendes beachtet werden:

  • Wann brauchen Kinder rhythmische Spiele, um ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden. Welche Gruppenkonflikte lassen sich besser durch rhythmische Spiele lösen als durch Gespräche?
  •  Das Gehen ist wichtig für die Muskelkontrolle und Körperkonzentration der Kinder. Kinder für Spiele mit längeren Gehtakten anregen!
  • Rhythmische Reaktionen sind abhängig von Alter, Temperament und Körperbau. Ein Kind, das nicht sofort Bewegung mit Musik verbinden kann, benötigt einen kleiner Tempowechsel um seinen natürlichen Rhythmus der Musik anzupassen.
  • Nervöse oder verhaltungsgestörte Kinder müssen einfühlsam behandelt werden, denn ihre rhythmische Entwicklung verläuft langsamer und sprunghafter. Für diese Kinder sind viele kleine Rhythmikübungen von therapeutischem Nutzen.

Kinder wert zu schätzen, bedeutet vor allem, ihnen Zeit zu gewähren! Kinder brauchen Lernsituationen, in denen ihr individueller Rhythmus respektiert wird.

 Rhythmus bedeutet:
Eigenes Zeitgefühl entwickelt
Körperkonzentration verbessern
Bewegung mit akustischen Reizen verbinden
Eigenen Rhythmus auf den anderer abstimmen
Sprache rhythmisch erfahren
Besser behalten
 7.5  Die Bedeutung der Wahrnehmung für das Kind

 Die Bewegung spielt vor allem in den ersten Lebensjahren neben der WAHRNEHMUNG die entscheidende Rolle für die ganzheitliche Entwicklung des Kindes. Kinder nehmen ganzheitlich wahr.
WAHRNEHMEN ist ein aktiver Prozess, bei dem das Kind mit allen Sinnen seine Umwelt erkundet. Mit seinen Sinnen begegnet es Lebewesen und Dingen. Es kann sie befühlen, sehen, hören und anfassen, kann sie schmecken und riechen, sich mit ihnen bewegen.
Das Kind gewinnt, bevor es sich sprachlich mitteilen kann, bereits Wissen über räumliche Beziehungen. Es hat dieses Wissen aufgrund  seiner Erfahrungen durch WAHRNEHMUNG und Bewegung erworben.
Die Sinne liefern dem Kind viele Eindrücke über seine Umwelt  und über sich selbst im Zusammenhang mit ihr. Kinder brauchen vielfältige Möglichkeiten für den Einsatz und die Erprobung aller ihrer Sinne:

Sinnesentwicklung

Eine gesunde Sinnesentwicklung leidet unter dem hohen Medienkonsum, die den Kindern oft zur Verfügung gestellt wird. Immer mehr Kinder haben Wahrnehmungsprobleme, deren Ursachen in gestörten organischen Funktionen liegen oder in ihren veränderten Lebens- und Umweltbedingungen. Zu den organischen Ursachen zählen Hirnfunktionsstörungen, die während der Schwangerschaft, bei der Geburt oder in der frühen Kindheit entstanden sind. Aber die meisten Sinnesstörungen sind umweltbedingt. Viele Kinder leiden unter einem Mangel an Entwicklungsreizen in ihrer Umwelt, die ihnen zu wenig Wahrnehmungs- und Bewegungserfahrungen bietet. Mit dieser Unterversorgung paart sich meistens eine Überversorgung an visuellen und akustischen Reizen. Augen und Ohren sind überstimuliert, während z.B. Tast-, Riech- und Schmecksinn unterversorgt zu verkümmern drohen.

Die Sinne spielen für die ganzheitliche Entwicklung eine lebenswichtige Rolle. Sie sind hochsensible Schlüssel, mit denen das Kind seiner Umwelt begegnet. Auf dem sensorischen Weg sammelt es wichtige Eindrücke über sich und seine Mitmenschen. Denn nur das Selbsterfahrene – erworben aus dem praktischen Handeln mit richtigen Menschen und mit echten Dingen – schafft neue Denkwerkzeuge zur optimalen Entwicklung. Unsere Sinne funktionieren also wie Schwämme, die unzählige Reize aufnehmen und diese lebenswichtigen Informationen werden dann zum Hirn transportiert. Je mehr Sinne am Transport beteiligt sind, umso nachhaltiger und ganzheitlicher speichert das Hirn.

Immer mehr Kinder werden heute von der einseitigen Wahrnehmungsflut aus den Medien überrollt. Der durchschnittliche Fernsehkonsum von 4 bis 14Jährigen beträgt in Deutschland täglich vier Stunden! Immer mehr Kinder geraten durch einseitige Sinneskost aus dem Gleichgewicht. Sie werden nervös, haben Konzentrations- und Schlafstörungen, entwickeln sich zu kleinen Rambos und Zappelphilippen. Die Kinder leiden unter sensorischen Integrationsdefiziten. Selten ist nur ein Wahrnehmungsbereich funktionsunfähig. Die Kinder stecken vielmehr in einem Leidensgeflecht von kombinierten Ausfällen ihres Sinnessystems. Ihr Gehirn hat die für die Verarbeitung der Sinneseindrücke erforderlichen Strukturen nicht oder unzureichend entwickelt. Sie können nur schwer unter der Vielzahl der Reize die wichtigsten von den unwichtigen unterscheiden, die Informationen richtig einordnen und mit Erfahrungen verbinden. Sie schätzen die räumliche, zeitliche Abfolge von Reizen häufig falsch ein. Dies führt zwangsläufig zu Fehlreaktionen, die deutlich machen, dass die Integration der Sinnesreize ins Zentralnervensystem gestört ist.

Und damit gehen immer Entwicklungs- und Lernstörungen einher: Konzentrationsschwäche, schlechte Gedächtnisleistung, hohe Ablenkungs- und Störbereitschaft. All dies löst psychischen Stress aus. Wahrnehmungsgestörte Kinder können sich nur unter großen Anstrengungen situationsgerecht und ausgeglichen in ihre Umgebung einfügen. Sie fallen oft hin, rempeln andere an, lassen ständig Dinge fallen oder stoßen sie um. Dieses Anecken und Auffallen erhöht ihre Unsicherheit und senkt ihre psychische Belastbarkeit. Sie leiden permanent unter der Angst, den Anforderungen nicht gerecht zu werden.

Unsere Kinder brauchen Erwachsene, die sie so oft wie möglich nach Herzenslust im Freien toben und matschen lassen, die ihren Spaß am Entdecken und Erkunden fördern. Denn jedes Kind brennt darauf, möglichst viele unterschiedliche Dinge seiner Umwelt mit allen Sinnen zu erleben, Erfahrungen mit sich und seinen Spielkameraden zu machen. Es will seine Interessen durch eigenes Entdecken, Erforschen und Untersuchen vertiefen und anderen mitteilen.

Ein gut funktionierendes Wahrnehmungssystem kann als Voraussetzung für die Auseinandersetzung des Kindes mit seiner Umwelt betrachtet werden. Zwar sind die meisten Menschen von Geburt an mit einer durchschnittlich guten Fähigkeit zur WAHRNEHMUNG ausgestattet, doch diese Grundfähigkeit muss vor allem in der Kindheit  durch ständige Anpassung an Situationen, Dinge und Anforderungen geübt werden. Je vielfältiger sensorische Funktionen geübt werden, umso sicherer werden Kinder in ihren Bewegungen. Gefördert wird das Zusammenspiel der Sinne durch Bewegungsaktivitäten, die wiederum Wahrnehmungsleistungen erfordern und quasi als „sensorische Nahrung“ dienen. Das Kind eignet sich die Welt weniger über das Denken und Vorstellen an, sondern vor allem über seine Sinne, seine unmittelbaren Handlungen und seinen Körper. WAHRNEHMUNG ist Grundlage der sensomotorischen Kette von:

WAHRNEHMEN – BEWEGEN – ERLEBEN

WAHRNEHMUNG bedeutet:
Primärerfahrungen aus der Umwelt sammeln
Sich und andere bewusst wahrnehmen
Mit Freude neue Sinnesreize aufnehmen
Alle Sinne schulen
Körperkontakt fördern

Die neue Kindheit braucht also vor allem Lernprozesse, die sinnliches Entdecken und Erforschen in den Mittelpunkt stellen; die Bewegung, Wahrnehmung und Erkenntnis zu einer effektiven und konkreten Erfahrungseinheit miteinander verknüpfen!

Die aktuellen Forschungsergebnisse machen Mut, neue Wege des Lernens als einen ganzheitlichen Reifungsprozess von Geist, Körper und Psyche zu verstehen, als ein sich ständig entwickelndes Zusammenspiel von Sinneswahrnehmung, Denkleistungen, Bewegungsabläufen und Gefühlen. Auch die zunehmenden Lernauffälligkeiten, wie z.B. Bewegungs-, Wahrnehmungs-, Sprach- und Konzentrationsstörungen, erfordern ein Umdenken im Erziehungs- und Lernprozess. Und zwar ein Umdenken, das das Kind wieder in seiner Ganzheit als spielendes und zugleich lernendes Wesen respektiert!

 Motorik

ZurückWeiter

error: